Sonntag, 18. Mai 2014

Pleite droht beim Alpenschutz

Grosses Konfliktpotenzial zwischen touristischen und ökologischen Interessen: Heliskiing in Zermatt. Foto: Look Foto
Grosses Konfliktpotenzial zwischen touristischen und ökologischen Interessen: Heliskiing in Zermatt.

Das Bundesamt für Zivilluftfahrt will die Überprüfung der Gebirgslandeplätze abbrechen. Folgt ihm der Bundesrat, bleibt Heliskiing in Schutzgebieten erlaubt. 

 

Die Alpenschützer wünschen sich Ruhe in den Bergen. Nun könnte es bald schon ruhig werden – allerdings nicht auf den Gletschern und Gipfeln, sondern um ein umstrittenes Dossier: den Umgang mit Heliskiing und damit der touristischen Fliegerei in den Alpen. Das Bundesamt für Zivilluftfahrt (Bazl) will gemäss «Tages-Anzeiger»‑Informationen die Überprüfung der 42 Gebirgslandeplätze in der Schweiz nicht mehr weiterführen; das Bazl will sich dazu nicht äussern. Womöglich heute schon wird die Landesregierung abschliessend darüber befinden. 

Folgt der Bundesrat dem Bazl, würde mit einem Federstrich jahrelange Arbeit vernichtet, ebenso Steuergelder in wohl siebenstelliger Höhe. Noch im Februar hatte das Bazl den schleppenden Fortgang der Arbeiten mit beschränkten personellen Ressourcen erklärt. Der wahre Grund dürfte jedoch ein anderer sein: Die Situation ist verkachelt. Verschiedene Bundesämter, betroffene Gemeinden und Kantone, Umweltverbände, Tourismusvertreter, die Flugbranche – alle zerren sie im Konflikt in verschiedene Richtungen. 

«Sehr schwierige» Gespräche
Parlamentarier aus FDP und SP sehen das Bazl deshalb überfordert und haben den Bundesrat letztes Jahr aufgefordert, das Dossier einem anderen Amt zu übertragen. Die Landesregierung winkte ab, räumte aber ein, die Gespräche zwischen den Streitparteien seien «sehr schwierig und zeitraubend». In der Tat: Vor vierzehn Jahren hatte der Bundesrat das Bazl beauftragt, das Konfliktpotenzial zwischen touristischen und ökologischen Interessen auszuräumen oder mindestens zu verringern. Zur Debatte stand damit, die Zahl der Landeplätze zu verringern oder Alternativen zu umstrittenen Punkten zu schaffen. 15 der 42 Landeplätze liegen in Gebieten, die im Bundesinventar der Landschaften und Naturdenkmäler von nationaler Bedeutung (BLN) verzeichnet sind, weitere 6 grenzen daran. 

Es dauerte sieben Jahre, bis ein Konzept vorlag. Dieses sah vor, die Landeplätze tranchenweise zu überprüfen und betroffene Kreise anzuhören. Als Erstes nahm das Bazl Zermatt und Umgebung unter die Lupe – und wollte die touristischen Flüge unter anderem auf dem Landeplatz Monte Rosa in 4100 Meter Höhe einschränken. Gegen diese ­Verfügung vom Uvek, dem Departement von Bundesrätin Doris Leuthard (CVP), erhob der Schweizer Alpen-Club aus Gründen des Umwelt- und Lärmschutzes Beschwerde, desgleichen verschiedene Helikoptervereinigungen, weil sie im Heliskiing eine einträgliche touristische Attraktion sehen. Die Richter in Bern wiesen das Bazl in der Folge an, bei der Eidgenössischen Natur- und Heimatschutzkommission (ENHK) ein Gutachten einzuholen, weil das Amt nicht umfassend genug abgeklärt hatte, inwieweit ein Landeplatz mit dem Schutzstatus eines BLN-Gebiets vereinbar ist.

Das Fachgremium kam 2012 zum Schluss, Heliskiing vom Landeplatz Monte Rosa sei zu verbieten, weil dessen Nutzung «schwerwiegend» das Schutzziel beeinträchtige, die Ruhe und Stille in dieser «nahezu unbelasteten» Hochgebirgslandschaft zu erhalten respektive wiederherzustellen. Ausnahmen sind gemäss ENHK nur zulässig, wenn für Flüge ein Interesse von nationaler Bedeutung vorliegt, also bei Ausbildungsflügen.

Brisantes Gutachten
Die Gutachten der ENHK sind von einiger Brisanz, geniessen sie doch traditionell einen hohen Stellenwert, auch bei einer gerichtlichen Beurteilung. Das Bazl sah sich so mit der weitreichenden Frage konfrontiert, ob touristische Flüge auf alle Landeplätze in BLN-Gebieten zu untersagen seien. Ein solches Teilverbot würde den Lärm in den Alpen markant verringern; pro Jahr werden auf den Landeplätzen gegen 30'000 Flugbewegungen registriert.

Vor diesem Hintergrund zieht es das Bazl offenbar vor, den Status quo beizubehalten. Darüber zeigt sich die Alpenschutzorganisation Mountain Wilderness besorgt: «Auch wenn die Gespräche schwierig sind: Nur der Dialog bringt uns weiter», sagt Geschäftsleiterin Katharina Conradin. Ein Abbruch der Bemühungen hingegen zementiere das Problem auf weitere Jahrzehnte hinaus.

Quelle: Tages-Anzeiger

^^^ Nach oben

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen