Sonntag, 4. Mai 2014

Für Renovationen zahlen am Schluss die MieterInnen

Wenn der Vermieter neue Fenster einbaut oder das Bad saniert, darf er den Mietzins erhöhen. Um wie viel, können Mieter mit geringem Aufwand selber ausrechnen. 

Bei einer umfassenden Sanierung darf der Vermieter 50 bis 70 Prozent der Kosten auf den Mietzins schlagen.
Bei einer umfassenden Sanierung darf der Vermieter 50 bis 70 Prozent der Kosten auf den Mietzins schlagen. Bild: Alamy

«Auf vielfachen Wunsch bringen wir im nächsten Mai auf allen Balkonen Sonnenstoren an», teilte die Hausverwaltung einer Mieterin im Kanton St. Gallen mit. «Ihre Miete wird sich damit voraussichtlich um ca. 30 Franken pro Monat verteuern.» Solche Ankündigungen lösen immer wieder die gleiche Frage aus: «Muss ich diesen Aufschlag akzeptieren?» Die Antwort können sich Mieter gleich selber geben – in drei Schritten:

1. Mehrwert ermitteln
Im Sonnenstoren-Fall ist die Sache klar: Der Mehrwert entspricht den gesamten Investitionskosten, weil der Vermieter eine neue, bisher nicht vorhandene Einrichtung installiert. Die Wohnung ist somit um diesen Betrag mehr wert, und der Vermieter darf die Kosten vollumfänglich auf den Mieter überwälzen. Das gilt zum Beispiel auch, wenn er eine ­Solaranlage aufs Dach stellt.
Umgekehrt liegen Fälle, in denen eine Neuerung dem Mieter keinen Vorteil bezüglich Standard, Qualität, Energieverbrauch oder Benutzerfreundlichkeit bringt. Hier darf der Vermieter die Miete nicht erhöhen – der Mehrwert ist gleich null. Zu denken ist etwa an den Ersatz einer Waschmaschine durch eine neue von ungefähr gleicher Qualität und Leistung. Das ist reiner Unterhalt, der bereits im Mietzins enthalten ist. Laut dem Zürcher Mietgericht sind auch Brandschutzmassnahmen werterhaltender Natur, wenn der Vermieter damit feuerpolizeiliche Vorschriften erfüllt. Zwischen diesen Extremen liegen all jene Fälle, in denen der Vermieter eine bestehende Einrichtung durch eine neue mit deutlich höherem Standard oder Komfort ersetzt. Beispiele: Die neuen Fenster haben Isolierverglasung, der Backofen verfügt zusätzlich über Grillfunktionen. Dann kann man den Mehrwert bestimmen, indem man von der ­Investitionssumme den Betrag abzieht, den ein gleichwertiger Ersatz gekostet hätte. Sind die Isolierfenster beispielsweise 5000 Franken teurer als herkömmliche, ist das der Mehrwert.

Nun ist es oft so, dass gleichwertiger Ersatz gar nicht mehr erhältlich ist und demzufolge auch kein aktueller Preis existiert. Das gilt etwa bei technischen Geräten, die immer multifunktionaler, bedienungsfreundlicher und energiesparender werden. Es bleibt dann nichts anderes übrig, als den Mehrwert mithilfe einer Fachperson zu schätzen.

Schliesslich ein Spezialfall: Renoviert der Vermieter umfassend, baut er also etwa eine neue Küche oder ein neues Bad ein und saniert Dach und Fassade, so darf er laut der massgeblichen Verordnung «in der Regel 50 bis 70 Prozent» seiner Auslagen dem Mieter überbürden. Ob eher 70 oder eher 50 Prozent hängt laut Felicitas Huggenberger vom Mieterinnen- und Mieterverband Zürich davon ab, «ob der Vermieter wesentliche Neuerungen vornimmt oder die Wohnung lediglich wieder auf den neusten Stand bringt.» Der Mehrwertanteil entspricht also in der Regel 50, 60 oder 70 Prozent der Renovationskosten. Über deren Höhe muss der Vermieter Auskunft geben.

Diese vereinfachte und für Vermieter vorteilhafte Abrechnungsart soll Hauseigentümer «zur Sanierung älterer Bauten ermuntern oder sie wenigstens nicht davon abhalten», heisst es in einem Urteil des Bundesgerichts. Wichtig dabei: Die 50-bis-70-Prozent-Regel ist nur bei umfassenden Sanierungen anwendbar. Lässt ein Vermieter bloss punktuelle Arbeiten ausführen, deren Kosten er problemlos getrennt ausweisen kann, darf er sich nicht darauf berufen. Deshalb legte das Bundesgericht im erwähnten Urteil den Mietzinsaufschlag für eine Küchen- und Fensterrenovation separat fest. Bei der Küche kam es auf 60 Prozent, bei den Fenstern auf 40 Prozent. Die neuen, doppelt verglasten Fenster seien einfacher zu reinigen, verbesserten das Wohnklima und senkten die Heizkosten, so die Begründung.

2. Faktor bestimmen
Kennt man den Mehrwert, braucht man nur noch den Kapitalisierungsfaktor, um die zulässige Mietzinserhöhung zu berechnen. Er ergibt sich, wenn man 100 durch die voraussichtliche Lebensdauer der neuen Einrichtung teilt und zum Ergebnis 2,25 dazuzählt. Konkret: Gemäss der paritätischen Lebensdauertabelle* von Hauseigentümer- und Mieterverband hat der eingangs erwähnte Sonnenstoren eine Lebenserwartung von 15 Jahren. 100 geteilt durch 15 ergibt 6,67, plus 2,25 ergibt 8,92 Prozent. Um so viele Prozente des Mehrwerts darf die Miete jährlich steigen. Die Berechnung des Kapitalisierungsfaktors basiert auf dem aktuellen Referenzzins von 2 Prozent. Nähere Informationen dazu finden sich unter www.mietrecht.ch (Rubrik «wertvermehrende Investitionen»). Dort steht auch ein Tool zur Verfügung, das Mietern hilft, den zulässigen Aufschlag zu berechnen. Vorsicht: Für subventionierte und luxuriöse Wohnungen gelten andere Regeln.

3. Mietzinsaufschlag berechnen
Multiplizieren Sie nun den Mehrwert mit dem Kapitalisierungsfaktor und teilen Sie das Ergebnis durch 100. Angenommen, der neu montierte Sonnenstoren koste 2000 Franken, so ergibt sich ein jährlicher Mietzinsaufschlag von 178.40 Franken (2000 x8,92 : 100). Das sind knapp 15 Franken pro Monat – und nicht 30, wie die Verwaltung in unserem Beispiel angekündigt hat.

Sind nur die Investitionskosten für das ganze Mietshaus bekannt (nicht für die einzelnen Wohnungen), kann man auch mit diesen rechnen. Dann gilt es aber am Ende, den errechneten Betrag nach einem gerechten Schlüssel auf die Mietparteien zu verteilen. Meist orientiert man sich an der Wohnungsgrösse.

* Die Tabelle ist zu finden unter www.mietrecht.ch oder kann beim Mieterverband bestellt werden (043 243 40 40). (Tages-Anzeiger)

Quelle: Tages-Anzeiger 5.5.14

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