Montag, 30. Juni 2014

Desaster nach harmlosem Tweet

Die niederländische Airline sorgte mit einem Tweet für einen waschechten Shitstorm. Ein Scherz nach Hollands Fussball-Sieg über Mexiko kam nicht gut an – und KLM entschuldigte sich.

 

Kam nicht gut an: Das Bild im KLM-Tweet. (Screenshot Twitter)


Es sollte ein Scherz sein – und wurde zum PR-Desaster: Die niederländische Fluggesellschaft KLM twitterte am Sonntag nach dem 2:1-Sieg der Nationalmannschaft gegen Mexiko im Achtelfinale der Fussball-Weltmeisterschaft «Adios Amigos» – zusammen mit dem Bild eines Mannes mit einem Schnurrbart, der neben einem Schild mit der Aufschrift Departures (Abflüge) stand und einen Sombrero schwenkte.

Der Tweet verbreitete sich rasend schnell im Internet – ebenso wie die empörte Reaktionen darauf. Der mexikanische Schauspieler Gael García Bernal etwa liess seine mehr als zwei Millionen Twitter-Follower wissen, dass er niemals wieder mit KLM fliegen werde.

Nach rund einer halben Stunde nahm die Fluggesellschaft den Tweet dann wieder aus dem Netz. «Es war als Scherz gemeint», sagte KLM-Sprecherin Lisette Ebeling Koning der Nachrichtenagentur Associated Press. «Aber dann hat es zu viele negative Reaktionen gegeben.» Noch am späten Sonntagabend entschuldigte sich das Unternehmen förmlich. «In bestem Sportsgeist bitten wir alle, die sich von dem Kommentar beleidigt fühlen, um aufrichtige Entschuldigung», erklärte der KLM-Generaldirektor für Nordamerika, Marnix Fruitema.

Mit Humor reagierte die mexikanische Fluggesellschaft AeroMexico. Sie twitterte ein Bild der Nationalmannschaft unter dem Schild Arrivals (Ankünfte) und mit dem Text: «Danke für dieses grossartige Turnier. Ihr habt uns stolz gemacht, und wir erwarten Euch zu Hause.»   

Quelle: Agenturen

Sonntag, 22. Juni 2014

Kursende

Ablauf der Prüfung

16. Juni 2014  - Prüfung 1. Teil  

Achtung: Wegen kurzer Pausen jeweils leicht verschobener Beginn und neues Zimmer (213)
 
17:00 – 17:30 AA   (Schwerpunktthema: Bereich Kunst und Kultur)
17.35 – 18:05 ADP  (Wirtschaft und Umwelt)
18.10 – 18:40 SiZb   (Recht)

 
23. Juni 2014  - Prüfung 2. Teil - ebenfalls neues Zimmer 213

Achtung: Wegen kurzer Pausen jeweils leicht verschobener Beginn 

16.25 - 16.55 AK (Schwerpunktthema: Politik und Gesellschaft)
17:00 – 17:30 SSN   (Recht)
17.35 – 18:05 MaMa   (Recht)
18.10 – 18:40 LS   (Recht)
18.45 – 19:15 MK   (Politik und Gesellschaft)
19.20 – 19:50 MY   (Recht)
19.55 - 20.25 MaMe   (Politik und Gesellschaft)
20.30 - 21.00 BB    (Politik und Gesellschaft
21.05 - 21.35 SC    (Politik und Gesellschaft)



30. Juni 2014 - Schlussabend

  • Treffpunkt wie üblich 18.15h Zi 308 
  • Abgabe provisorischer Benotung
  • Kurze schriftliche Auswertung gemäss Bogen EB Zürich
  • Weiteres Programm nach Ansage und gemäss Wunsch der TeilnehmerInnen

Montag, 2. Juni 2014

Anschaffen und Koksen steigern BIP

«Sex, drugs and GDP», titelte die renommierte «Financial Times» am Freitag auf ihrer Frontseite. Der Grund für diese ungewöhnliche Schlagzeile in der Wirtschaftszeitung: Grossbritannien hat angekündet, das Geschäft mit illegalen Drogen und sexuellen Dienstleistungen ab September in seiner volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung berücksichtigen zu wollen. GDP ist das englische Kürzel für Bruttoinlandprodukt (BIP).

Die englischen Statistiker schätzen den Beitrag von 60 879 Prostituierten zur jährlichen Wirtschaftsleistung auf 5,3 Mrd. £. Dies unter der Annahme, dass die Sexarbeiterinnen 25 Kunden pro Woche bedienen und dafür im Schnitt £ 67.16 in Rechnung stellen. Drogendealer steuern angeblich 4,4 Mrd. £ zur Wirtschaft der Insel bei – wobei die Statistiker mit einem Heroin-Strassenpreis von 37 £ pro Gramm kalkulieren. Mangelnden Sinn fürs Detail kann man den Behörden sicher nicht vorwerfen. Dank der Berücksichtigung des Lasters wird das britische BIP über Nacht um umgerechnet fast 15 Mrd. Fr. steigen.

Im Rahmen einer Revision ihres BIP addieren die Briten zudem weitere, schwierig zu messende Aktivitäten auf, etwa den wirtschaftlichen Beitrag von Bürgern, die ihr Haus selber bauen, oder Dienstleistungen von Nonprofitorganisationen. Mit der Revision wächst die britische Wirtschaft wundersam um 2,3%. Zuvorgekommen sind den Briten allerdings wieder einmal die Italiener. Rom hatte schon am 22. Mai angekündet, dass ab Herbst auch die unternehmerischen Tätigkeiten des Drogenhandels, der Prostitution sowie Alkohol- und Zigarettenschmuggel im italienischen BIP berücksichtigt würden.

Bereits 1987 sorgten unsere südlichen Nachbarn für Furore, als sie die Schattenwirtschaft ins BIP aufnahmen. Das war damals gut fürs kollektive Selbstbewusstsein, denn die italienische Wirtschaft machte auf dem Papier einen Sprung um 18%. Dank diesem als «sorpasso» (Überholung) gefeierten Trick überrundeten die Italiener wirtschaftlich die Briten.

Behördlich empfohlen

Wer es fragwürdig findet, dass London und Rom ihr BIP um Drogen, Schmuggel und Sex erweitern, muss wissen, dass die beiden Länder damit lediglich europäische Empfehlungen umsetzen. Das europäische System volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen will, dass Länder auch illegale Aktivitäten berücksichtigen, solange alle Beteiligten in diese einwilligen. Das ist für die Länder zwar schwierig umzusetzen, aber nur konsequent: Das BIP misst den Wert aller Waren und Dienstleistungen, die ein Land im Jahr produziert, und hat keine moralische Dimension.
Und die Schweiz, als Musterschülerin, die sie für gewöhnlich ist, hat ihr BIP bereits 2012 um die Aktivitäten Schmuggel, Prostitution und Drogen ergänzt. Die Experten bei der Zollverwaltung, welche die BIP-relevante Schätzung von Schmuggel und Drogen erarbeiteten, waren am Freitag nicht erreichbar. Doch allein die Berücksichtigung des Sexgewerbes habe damals das Schweizer BIP um 0,5% anschwellen lassen, sagt Philippe Küttel, Sektionschef beim Bundesamt für Statistik. Insgesamt stieg das Schweizer BIP infolge der Revision von 2012 um rund 4%. Das entspricht auf dem Papier einem Zuwachs pro Kopf von immerhin rund 2875 Fr.

Diese Beispiele zeigen, dass die Berechnung des BIP keine exakte Wissenschaft ist und sich die Methoden laufend weiterentwickeln. Trotz kaum vermeidbaren Ungenauigkeiten bleibt das BIP die Referenz für den Vergleich zwischen den Volkswirtschaften verschiedener Länder. Es ist zudem die entscheidende Bezugsgrösse für die Berechnung der Verschuldung – die in Prozent des BIP ausgedrückt wird – oder auch für Wohlstands-Ranglisten, für die in der Regel das BIP pro Kopf herangezogen wird.

Besonders schwierig ist die BIP-Berechnung für die Behörden wenig entwickelter Länder, in denen oft mehr Menschen im informellen Sektor arbeiten als in einem offiziellen Anstellungsverhältnis. BIP-Wachstumszahlen dagegen sind trotz häufigen Revisionen recht zuverlässig: Bei Änderungen der BIP-Berechnungsmethode passen die Statistiker jeweils auch die volkswirtschaftlichen Rechnungen der Vorjahre an, so dass die Vergleichbarkeit gewährleistet bleibt. Das ist wichtig zu wissen, denn derzeit künden Staaten fast im Wochentakt Anpassungen ihrer volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen an, weil ein entsprechendes Regelwerk der Uno dies vorsieht. Diese Revisionen bringen teilweise auch symbolträchtige Ranglisten durcheinander. Dank der Anpassung seiner BIP-Berechnungen löst etwa die 170-Millionen-Nation Nigeria dieses Jahr den Erzrivalen Südafrika als grösste Volkswirtschaft Afrikas ab.

Ein einmaliger Schub

Die europäischen Länder inklusive der Schweiz werden gleichzeitig Ende September Änderungen an ihrer volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung vornehmen. Neben individuellen Anpassungen, wie sie nun Grossbritannien und Italien angekündet haben, gibt es primär eine folgenreiche Neuerung, die alle Länder betrifft: Aufwendungen für Forschung und Entwicklung, die heute noch als laufende Ausgaben taxiert werden, gelten neu als Investitionen – und heben das BIP-Niveau an.

Die Schweiz wird mit ihrem BIP von dieser Änderung überdurchschnittlich profitieren. Die Neuklassierung der Forschung und Entwicklung hat für die Schweiz nach ersten Schätzungen einen BIP-Anstieg von 2,5% zur Folge. Für die EU wird der Effekt im Schnitt 1,9% ausmachen, wie die Statistiker in Brüssel schätzen. Das Schweizer BIP legt also vergleichsweise stärker zu. Dabei handelt es sich aber um einen einmaligen Schub, der keinen Einfluss auf das künftige BIP-Wachstum hat.

Die Stärke seiner Forschung und Entwicklung passt jedoch gut ins Gesamtbild der robusten Verfassung, in welcher sich die Schweizer Wirtschaft seit längerer Zeit befindet. Seit sie durch Wirtschaftsreformen und Personenfreizügigkeit eine hartnäckige Stagnation in den 1990er Jahren hinter sich gelassen hat, ist die Schweiz zu einer Art europäischem «Tigerstaat» geworden.

Gemäss der Konjunkturforschungsstelle KOF legte die Schweizer Volkswirtschaft von 2001 bis 2010 um jährlich 1,7% zu. Das BIP der EU expandierte im selben Zeitraum um 1,4% pro Jahr. Diese Wachstumsdifferenz scheint auf den ersten Blick nicht gross, doch man sollte den Zinseszinseffekt nicht vernachlässigen, der sich über eine Dekade einstellt.

Und nach dem Ausbruch der Finanzkrise hat sich die Differenz zwischen der Schweiz und ihren europäischen Nachbarn sogar noch verstärkt (siehe Grafik). Letztes Jahr legte die Schweizer Wirtschaft 2% zu, und das BIP überschritt in absoluten Zahlen erstmals die Marke von 600 Mrd. Fr. Auch für das laufende und das nächste Jahr gestehen Konjunkturforscher der Schweiz ein höheres Wachstum zu als dem Rest Europas.

Quelle: NZZ am Sonntag 1.6.14

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Montag, 26. Mai 2014

Spitzenverdiener ohne Progression

Das Schweizer Steuersystem wirkt zum Teil degressiv: Je höher das Einkommen ist, desto weniger müssen die Steuerpflichtigen prozentual abliefern.



Die Grafik ist politisch brisant. Sie stammt aus einer noch unveröffentlichten Nationalfondsstudie und zeigt die durchschnittliche prozentuale Steuerbelastung der verschiedenen Einkommen in der Schweiz. Das Brisante dabei: Ab einer Million Franken sinkt die Kurve. Das ist ungewohnt. Gehen wir doch davon aus, dass die Steuerbelastung mit zunehmendem Einkommen steigt. Deshalb spricht man ja von Steuerprogression. Hier zeigt sich jedoch ab einem jährlichen Einkommen von einer Million Franken ein degressiver Verlauf. Will heissen: Die prozentuale Belastung sinkt mit steigendem Einkommen.

Kann das wirklich sein? Haben die Bundesrichter degressive Steuertarife nicht verboten? Doch, haben sie. Aber die Studie der Universität Basel belegt, dass es gesamtschweizerisch dennoch zu einem teils degressiven Verlauf kommt. Grund dafür ist das föderalistische Schweizer Steuersystem. Kurt Schmidheiny und Marcus Roller haben es gründlich erforscht. Dabei begnügten sie sich nicht mit einer Analyse der einzelnen kantonalen Steuertarife. Vielmehr untersuchten sie auch deren Zusammenspiel und wie sich dieses in der Realität auswirkt.

Um das Ganze zu verstehen, muss man wissen, wie das Schweizer Steuersystem ausgestaltet ist. Hierzulande kann jeder Kanton selbst entscheiden, wie viel Geld er ausgeben will und wie viel Steuern er dafür erheben möchte. Dasselbe gilt für die Gemeinden. Dies führt einerseits zu einer höheren Ausgabendisziplin als in anderen Ländern. Andererseits führt es auch zu beträchtlichen Unterschieden bei der Steuerbelastung. So zahlt ein verheirateter Alleinverdiener mit zwei Kindern und einem Einkommen von 100'000 Franken im neuenburgischen Cressier mehr als das Sechsfache der Steuern, die er im zugerischen Baar abliefern müsste.

Solche Differenzen bewegen den einen oder anderen zum Umziehen. Doch das Wechseln der Gemeinde lohnt sich nicht für alle im selben Ausmass. Grossverdiener sparen auf diese Weise deutlich mehr Steuern und sind daher eher versucht, von dieser Möglichkeit Gebrauch zu machen. Bei Kleinverdienern hingegen ist der finanzielle Anreiz eines Umzugs geringer. Bei ihnen fallen eher die hohen Mieten ins Gewicht, die in steuergünstigen Gemeinden üblicherweise verlangt werden.

Phänomen vor allem bei Ledigen
Es sind also vor allem Gutverdiener, welche die Steuerflucht ergreifen. Mit dem Resultat, dass die Einkommensklassen ungleich auf die Kantone und Gemeinden verteilt sind. In steuergünstigen Gemeinden ist der Anteil an Spitzenverdienern viel höher als in Steuerhöllen. Oder anders ausgedrückt: Unter den Spitzenverdienern wohnt ein grösserer Teil in den Kantonen Schwyz und Zug als unter den Kleinverdienern. Dies spielt bei der Berechnung der durchschnittlichen Steuerbelastung pro Einkommensklasse eine wichtige Rolle.

So fallen nämlich bei den Vielverdienern die tiefen Tarife der steuergünstigen Gemeinden stärker ins Gewicht als bei den Kleinverdienern. Bei Letzteren prägen dagegen vor allem Gemeinden mit höheren Steuertarifen das Resultat. Dieser Effekt ist zum Teil derart stark, dass er die Progression der kantonalen Steuertarife mehr als wettmacht. Dadurch sinkt die tatsächliche durchschnittliche Steuerbelastung mit steigendem Einkommen, verläuft also degressiv.
Dieses Phänomen ist nicht bei allen Steuerpflichtigen gleich ausgeprägt, wie die Basler Analyse der Steuerdaten von 2009 zeigt. Ein degressiver Verlauf lässt sich vor allem bei den Unverheirateten ab einer Million Franken beobachten. Bei Familien ist der Verlauf wegen der statistischen Unschärfe weniger klar. Aufgrund der Kinder sind sie wohl weniger mobil.

Ohrfeige für den Bundesrat
Die Erkenntnisse der Basler Forscher dürften noch zu reden geben. Wie damals vor acht Jahren, als sich die Schweiz über einen degressiven Steuertarif in Obwalden ereiferte. Dieser sah ab einem Einkommen von 300'000 Franken eine tiefere prozentuale Belastung vor. Vier Personen – darunter der vorübergehend nach Obwalden umgezogene Ex-PDA-Nationalrat Josef Zisyadis – reichten beim Bundesgericht eine Beschwerde ein. Und erhielten recht.

Zwar hielt das Bundesgericht Zisyadis nicht für beschwerdelegitimiert, wohl aber die drei anderen Personen. Und es befand mit sechs zu einer Stimme: Degressive Steuertarife sind nicht zulässig. Die Verfassung schreibe eine Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit vor, argumentierten die Richter. Dies bedeute, dass Menschen mit höheren Einkommen und Vermögen sowohl absolut als auch prozentual mehr Steuern zahlen müssten. Degressive Steuern hingegen würden «gegen die Steuergerechtigkeit» verstossen.

Das Gerichtsurteil war auch eine schallende Ohrfeige für den damaligen Bundesrat. Hatte doch der seinerzeitige Finanzminister Hans-Rudolf Merz vor dem Urteilsspruch verlauten lassen: «Ich halte das neue Steuersystem des Kantons Obwalden für verfassungskompatibel und unterstütze es.» Und Justiz­minister Christoph Blocher meinte: «Mit der Steuerstrategie hat der Kanton ein mutiges Zeichen gesetzt. (…) Lassen Sie sich durch das Lamento der Verliererkantone nicht beirren.»

Nach dem höchstrichterlichen Urteil mussten die Obwaldner ihren Steuer­tarif doch noch ändern. Sie haben inzwischen eine sogenannte Flatrate-Tax eingeführt, die für alle Einkommen einen einheitlichen Steuersatz vorsieht. Dasselbe gilt für den Kanton Schaff­hausen: Er hat seinen degressiven Steuertarif ebenfalls durch eine Flatrate-Tax ersetzt.

Auch im Raum Zürich degressiv
Das heisst nun aber nicht, dass auch das Schweizer Steuersystem als Ganzes illegal ist und geändert werden muss. Das Bundesgericht beurteilt nur einzelne Steuertarife, nicht die Gesamtwirkung des Steuersystems. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass der von der Uni Basel gezeigte degressive Effekt selbst bei isolierter Betrachtung einzelner Regionen festzustellen ist.

Konkret haben Schmidheiny und Roller ihre Analyse auch für die Agglomeration Zürich durchgeführt. Dazu gehören laut der offiziellen Definition des Bundesamtes für Statistik nicht nur 104 Zürcher Gemeinden, sondern auch 25 aus dem Aargau sowie die Schwyzer Gemeinden Feusisberg, Freienbach und Wollerau. Berechnet man die durchschnittliche Steuerbelastung pro Einkommensklasse nur für diese Agglomerationsgemeinden und lässt die übrige Schweiz weg, ändert sich das Resultat bei den Unverheirateten nur unwesentlich. Bei den Familien sinkt die prozentuale Belastung erst ab einem Einkommen von etwa fünf Millionen, dann aber massiv.

Die «effektive Progression», wie sie Schmidheiny und Roller nennen, verläuft also keineswegs immer progressiv – auch wenn die einzelnen Steuertarife einen anderen Eindruck erwecken.

Quelle: Tages-Anzeiger 23.5.14

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Sonntag, 18. Mai 2014

Pleite droht beim Alpenschutz

Grosses Konfliktpotenzial zwischen touristischen und ökologischen Interessen: Heliskiing in Zermatt. Foto: Look Foto
Grosses Konfliktpotenzial zwischen touristischen und ökologischen Interessen: Heliskiing in Zermatt.

Das Bundesamt für Zivilluftfahrt will die Überprüfung der Gebirgslandeplätze abbrechen. Folgt ihm der Bundesrat, bleibt Heliskiing in Schutzgebieten erlaubt. 

 

Die Alpenschützer wünschen sich Ruhe in den Bergen. Nun könnte es bald schon ruhig werden – allerdings nicht auf den Gletschern und Gipfeln, sondern um ein umstrittenes Dossier: den Umgang mit Heliskiing und damit der touristischen Fliegerei in den Alpen. Das Bundesamt für Zivilluftfahrt (Bazl) will gemäss «Tages-Anzeiger»‑Informationen die Überprüfung der 42 Gebirgslandeplätze in der Schweiz nicht mehr weiterführen; das Bazl will sich dazu nicht äussern. Womöglich heute schon wird die Landesregierung abschliessend darüber befinden. 

Folgt der Bundesrat dem Bazl, würde mit einem Federstrich jahrelange Arbeit vernichtet, ebenso Steuergelder in wohl siebenstelliger Höhe. Noch im Februar hatte das Bazl den schleppenden Fortgang der Arbeiten mit beschränkten personellen Ressourcen erklärt. Der wahre Grund dürfte jedoch ein anderer sein: Die Situation ist verkachelt. Verschiedene Bundesämter, betroffene Gemeinden und Kantone, Umweltverbände, Tourismusvertreter, die Flugbranche – alle zerren sie im Konflikt in verschiedene Richtungen. 

«Sehr schwierige» Gespräche
Parlamentarier aus FDP und SP sehen das Bazl deshalb überfordert und haben den Bundesrat letztes Jahr aufgefordert, das Dossier einem anderen Amt zu übertragen. Die Landesregierung winkte ab, räumte aber ein, die Gespräche zwischen den Streitparteien seien «sehr schwierig und zeitraubend». In der Tat: Vor vierzehn Jahren hatte der Bundesrat das Bazl beauftragt, das Konfliktpotenzial zwischen touristischen und ökologischen Interessen auszuräumen oder mindestens zu verringern. Zur Debatte stand damit, die Zahl der Landeplätze zu verringern oder Alternativen zu umstrittenen Punkten zu schaffen. 15 der 42 Landeplätze liegen in Gebieten, die im Bundesinventar der Landschaften und Naturdenkmäler von nationaler Bedeutung (BLN) verzeichnet sind, weitere 6 grenzen daran. 

Es dauerte sieben Jahre, bis ein Konzept vorlag. Dieses sah vor, die Landeplätze tranchenweise zu überprüfen und betroffene Kreise anzuhören. Als Erstes nahm das Bazl Zermatt und Umgebung unter die Lupe – und wollte die touristischen Flüge unter anderem auf dem Landeplatz Monte Rosa in 4100 Meter Höhe einschränken. Gegen diese ­Verfügung vom Uvek, dem Departement von Bundesrätin Doris Leuthard (CVP), erhob der Schweizer Alpen-Club aus Gründen des Umwelt- und Lärmschutzes Beschwerde, desgleichen verschiedene Helikoptervereinigungen, weil sie im Heliskiing eine einträgliche touristische Attraktion sehen. Die Richter in Bern wiesen das Bazl in der Folge an, bei der Eidgenössischen Natur- und Heimatschutzkommission (ENHK) ein Gutachten einzuholen, weil das Amt nicht umfassend genug abgeklärt hatte, inwieweit ein Landeplatz mit dem Schutzstatus eines BLN-Gebiets vereinbar ist.

Das Fachgremium kam 2012 zum Schluss, Heliskiing vom Landeplatz Monte Rosa sei zu verbieten, weil dessen Nutzung «schwerwiegend» das Schutzziel beeinträchtige, die Ruhe und Stille in dieser «nahezu unbelasteten» Hochgebirgslandschaft zu erhalten respektive wiederherzustellen. Ausnahmen sind gemäss ENHK nur zulässig, wenn für Flüge ein Interesse von nationaler Bedeutung vorliegt, also bei Ausbildungsflügen.

Brisantes Gutachten
Die Gutachten der ENHK sind von einiger Brisanz, geniessen sie doch traditionell einen hohen Stellenwert, auch bei einer gerichtlichen Beurteilung. Das Bazl sah sich so mit der weitreichenden Frage konfrontiert, ob touristische Flüge auf alle Landeplätze in BLN-Gebieten zu untersagen seien. Ein solches Teilverbot würde den Lärm in den Alpen markant verringern; pro Jahr werden auf den Landeplätzen gegen 30'000 Flugbewegungen registriert.

Vor diesem Hintergrund zieht es das Bazl offenbar vor, den Status quo beizubehalten. Darüber zeigt sich die Alpenschutzorganisation Mountain Wilderness besorgt: «Auch wenn die Gespräche schwierig sind: Nur der Dialog bringt uns weiter», sagt Geschäftsleiterin Katharina Conradin. Ein Abbruch der Bemühungen hingegen zementiere das Problem auf weitere Jahrzehnte hinaus.

Quelle: Tages-Anzeiger

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Sonntag, 11. Mai 2014

Lebensversicherung - totes Geschäft

Lohnt sich eine Lebensversicherung als Altersvorsorge?  Sie haben einen ramponierten Ruf und werden kaum mehr nachgefragt. Nur selten machen diese Produkte für die (Alters-) Vorsorge auch wirklich Sinn.

Das Geschäft mit den Lebensversicherungen läuft schon lange nicht mehr rund. Wie Zahlen des Schweizerischen Versicherungsverbandes (SVV) zeigen, sind die Prämieneinnahmen für Lebensversicherungen zwischen 2002 und 2012 um 10 Prozent eingebrochen. Ein Grund dafür ist das Umfeld tiefer Zinsen, das die garantierten Renditen wegschmelzen lässt. Ein anderer ist auch, dass gewisse Leben-Produkte im Ruf stehen, intransparent zu sein, viel zu kosten und wenig Ertrag abwerfen.
Es sei wichtig, sagt Stefan Thurnherr vom Vermögenszentrum, dass man Risiko- und Sparversicherungen getrennt voneinander betrachte. "Auch wenn Versicherer gerne Spar- und Risikoversicherungen vermischen." Bei Risikoversicherungen wird ein konkreter Vorfall wie Erwerbsunfähigkeit oder Tod versichert, während bei Sparversicherungen zusätzlich Geld angelegt wird.

Meist profitiert bloss die Versicherung
Diese gemischten Policen, die langfristiges Sparen mit einer Absicherung gegen den Todesfall kombinieren, seien meist nur zugunsten der Versicherungsgesellschaften, schrieb das Beratungsunternehmen Vermögenspartner in einer Studie. So belaufen sich die in jedem Fall garantierten Zahlungen bei Ablauf der Versicherungen oft auf weniger als die aufsummierten Prämienzahlungen. Bei einem der Schweizer Marktführer, der Allianz Suisse, bekommt ein 50-Jähriger mit einer Einmalprämie von 100'000 Franken nach 10 Jahren bloss 97'000 Franken garantiert.

Unter Experten herrscht denn auch Einigkeit: Lebensversicherungen eignen sich nicht, um Geld anzulegen. Gemischte Versicherungen seien das falsche Produkt, sagt Stefan Thurnherr. "Die Geldanlage ist bei einer Bank besser aufgehoben. Einerseits sind Sparversicherungen sehr unflexibel, andererseits fallen dabei hohe Provisionen an. Ein Säule-3a-Konto ist die bessere Lösung, auch weil es aus steuerlichen Gründen attraktiv ist." Sparversicherungen würden denn auch kaum mehr nachgefragt, so Thurnherr. "Es ist ein totes Geschäft."

Geld bleibt auf der Strecke
Mit zur Inflexibilität tragen die erschwerten Bedingungen zum vorzeitigen Ausstieg aus Lebensversicherungen bei. Von einem solchen Erlebnis berichtet auch cash-Leser Daniel Z. Er wollte aus einer fondsgebundenen Lebensversicherung aussteigen und ahnte nicht, wie viel Aufwand hinter diesem Vorhaben steckte.

"Schon nur den Rückkaufwert zu ermitteln, war eine Tortur. Es wurden zunächst falsche Aussagen gemacht wie etwa die, dass dies nicht möglich sei." Als der Rückkaufwert dann feststand, war die Ernüchterung noch grösser. "Es stellte sich heraus, dass etwa die Hälfte des einbezahlten Kapitals verloren ginge, wollte man vom Vertrag zurücktreten", sagt Daniel Z. Es ist also unbedingt ratsam, vor Abschluss einer Sparversicherung stets eine Rückkaufofferte einzufordern.

Ganz allgemein gilt, dass Aktienanlagen ausserhalb von Versicherungen billiger sind. Dennoch gibt es Sparversicherungen, die in gewissen Fällen Sinn machen können. Dazu gehört unter Umständen eine Leibrente. "Beispielsweise wenn Eltern ein drogensüchtiges Kind haben und diesem das Erbe stückweise übergeben wollen", so Versicherungsexperte Thurnherr.

Besteht ein Absicherungsbedarf?
Bevor man in eine Risikoversicherung einsteigt, sollte man sich vergewissern, ob überhaupt Absicherungsbedarf besteht. So ist man beispielsweise gegen Unfall in der Regel über den Arbeitgeber versichert. Wer sich gegen Invalidität absichern lassen möchte, sollte laut Thurnherr eine Faustregel beachten: "Eine alleinstehende Person braucht noch 70 Prozent des ursprünglichen Einkommens und eine Familie 80 bis 90 Prozent." Und noch ein Tipp: Alleinstehende Personen brauchen keine Todesfallversicherung, weil bei ihrem Ableben niemand von einer solchen Versicherung profitieren könnte.

Wird dennoch eine Vorsorgelücke entdeckt, bietet es sich oft an, diese in Zusammenarbeit mit dem Arbeitgeber zu lösen. Denn häufig haben andere Angestellte dasselbe Problem. Bevor man sich langfristig an eine Lebensversicherung bindet, gilt es auf jeden Fall, genau hinzuschauen. Denn schnell ändert sich eine Lebenssituation und somit die Bedürfnisse eines Versicherten.

Quelle: Von Ivo Ruch / Cash

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Sonntag, 4. Mai 2014

Für Renovationen zahlen am Schluss die MieterInnen

Wenn der Vermieter neue Fenster einbaut oder das Bad saniert, darf er den Mietzins erhöhen. Um wie viel, können Mieter mit geringem Aufwand selber ausrechnen. 

Bei einer umfassenden Sanierung darf der Vermieter 50 bis 70 Prozent der Kosten auf den Mietzins schlagen.
Bei einer umfassenden Sanierung darf der Vermieter 50 bis 70 Prozent der Kosten auf den Mietzins schlagen. Bild: Alamy

«Auf vielfachen Wunsch bringen wir im nächsten Mai auf allen Balkonen Sonnenstoren an», teilte die Hausverwaltung einer Mieterin im Kanton St. Gallen mit. «Ihre Miete wird sich damit voraussichtlich um ca. 30 Franken pro Monat verteuern.» Solche Ankündigungen lösen immer wieder die gleiche Frage aus: «Muss ich diesen Aufschlag akzeptieren?» Die Antwort können sich Mieter gleich selber geben – in drei Schritten:

1. Mehrwert ermitteln
Im Sonnenstoren-Fall ist die Sache klar: Der Mehrwert entspricht den gesamten Investitionskosten, weil der Vermieter eine neue, bisher nicht vorhandene Einrichtung installiert. Die Wohnung ist somit um diesen Betrag mehr wert, und der Vermieter darf die Kosten vollumfänglich auf den Mieter überwälzen. Das gilt zum Beispiel auch, wenn er eine ­Solaranlage aufs Dach stellt.
Umgekehrt liegen Fälle, in denen eine Neuerung dem Mieter keinen Vorteil bezüglich Standard, Qualität, Energieverbrauch oder Benutzerfreundlichkeit bringt. Hier darf der Vermieter die Miete nicht erhöhen – der Mehrwert ist gleich null. Zu denken ist etwa an den Ersatz einer Waschmaschine durch eine neue von ungefähr gleicher Qualität und Leistung. Das ist reiner Unterhalt, der bereits im Mietzins enthalten ist. Laut dem Zürcher Mietgericht sind auch Brandschutzmassnahmen werterhaltender Natur, wenn der Vermieter damit feuerpolizeiliche Vorschriften erfüllt. Zwischen diesen Extremen liegen all jene Fälle, in denen der Vermieter eine bestehende Einrichtung durch eine neue mit deutlich höherem Standard oder Komfort ersetzt. Beispiele: Die neuen Fenster haben Isolierverglasung, der Backofen verfügt zusätzlich über Grillfunktionen. Dann kann man den Mehrwert bestimmen, indem man von der ­Investitionssumme den Betrag abzieht, den ein gleichwertiger Ersatz gekostet hätte. Sind die Isolierfenster beispielsweise 5000 Franken teurer als herkömmliche, ist das der Mehrwert.

Nun ist es oft so, dass gleichwertiger Ersatz gar nicht mehr erhältlich ist und demzufolge auch kein aktueller Preis existiert. Das gilt etwa bei technischen Geräten, die immer multifunktionaler, bedienungsfreundlicher und energiesparender werden. Es bleibt dann nichts anderes übrig, als den Mehrwert mithilfe einer Fachperson zu schätzen.

Schliesslich ein Spezialfall: Renoviert der Vermieter umfassend, baut er also etwa eine neue Küche oder ein neues Bad ein und saniert Dach und Fassade, so darf er laut der massgeblichen Verordnung «in der Regel 50 bis 70 Prozent» seiner Auslagen dem Mieter überbürden. Ob eher 70 oder eher 50 Prozent hängt laut Felicitas Huggenberger vom Mieterinnen- und Mieterverband Zürich davon ab, «ob der Vermieter wesentliche Neuerungen vornimmt oder die Wohnung lediglich wieder auf den neusten Stand bringt.» Der Mehrwertanteil entspricht also in der Regel 50, 60 oder 70 Prozent der Renovationskosten. Über deren Höhe muss der Vermieter Auskunft geben.

Diese vereinfachte und für Vermieter vorteilhafte Abrechnungsart soll Hauseigentümer «zur Sanierung älterer Bauten ermuntern oder sie wenigstens nicht davon abhalten», heisst es in einem Urteil des Bundesgerichts. Wichtig dabei: Die 50-bis-70-Prozent-Regel ist nur bei umfassenden Sanierungen anwendbar. Lässt ein Vermieter bloss punktuelle Arbeiten ausführen, deren Kosten er problemlos getrennt ausweisen kann, darf er sich nicht darauf berufen. Deshalb legte das Bundesgericht im erwähnten Urteil den Mietzinsaufschlag für eine Küchen- und Fensterrenovation separat fest. Bei der Küche kam es auf 60 Prozent, bei den Fenstern auf 40 Prozent. Die neuen, doppelt verglasten Fenster seien einfacher zu reinigen, verbesserten das Wohnklima und senkten die Heizkosten, so die Begründung.

2. Faktor bestimmen
Kennt man den Mehrwert, braucht man nur noch den Kapitalisierungsfaktor, um die zulässige Mietzinserhöhung zu berechnen. Er ergibt sich, wenn man 100 durch die voraussichtliche Lebensdauer der neuen Einrichtung teilt und zum Ergebnis 2,25 dazuzählt. Konkret: Gemäss der paritätischen Lebensdauertabelle* von Hauseigentümer- und Mieterverband hat der eingangs erwähnte Sonnenstoren eine Lebenserwartung von 15 Jahren. 100 geteilt durch 15 ergibt 6,67, plus 2,25 ergibt 8,92 Prozent. Um so viele Prozente des Mehrwerts darf die Miete jährlich steigen. Die Berechnung des Kapitalisierungsfaktors basiert auf dem aktuellen Referenzzins von 2 Prozent. Nähere Informationen dazu finden sich unter www.mietrecht.ch (Rubrik «wertvermehrende Investitionen»). Dort steht auch ein Tool zur Verfügung, das Mietern hilft, den zulässigen Aufschlag zu berechnen. Vorsicht: Für subventionierte und luxuriöse Wohnungen gelten andere Regeln.

3. Mietzinsaufschlag berechnen
Multiplizieren Sie nun den Mehrwert mit dem Kapitalisierungsfaktor und teilen Sie das Ergebnis durch 100. Angenommen, der neu montierte Sonnenstoren koste 2000 Franken, so ergibt sich ein jährlicher Mietzinsaufschlag von 178.40 Franken (2000 x8,92 : 100). Das sind knapp 15 Franken pro Monat – und nicht 30, wie die Verwaltung in unserem Beispiel angekündigt hat.

Sind nur die Investitionskosten für das ganze Mietshaus bekannt (nicht für die einzelnen Wohnungen), kann man auch mit diesen rechnen. Dann gilt es aber am Ende, den errechneten Betrag nach einem gerechten Schlüssel auf die Mietparteien zu verteilen. Meist orientiert man sich an der Wohnungsgrösse.

* Die Tabelle ist zu finden unter www.mietrecht.ch oder kann beim Mieterverband bestellt werden (043 243 40 40). (Tages-Anzeiger)

Quelle: Tages-Anzeiger 5.5.14

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