Montag, 30. September 2013

Zimmerteilet kann Wohnung kosten


Louis Bremer hat seine Wohnung verloren, weil er sie am Wochenende über das Portal Airbnb untervermietet hat, ohne den Hausbesitzer zu informieren. Was ist passiert?

Seit kurzem ist das Mietzinsdepot zurück auf Louis Bremers (Name geändert) Konto. Formal ist die Sache damit für ihn erledigt. Bremer hat seine Wohnung verloren, weil er sie an Touristen vermittelt hat. Das ist eine Premiere: Weder dem Hauseigentümerverband noch dem Mieterverband oder der Schlichtungsstelle für Mietsachen ist ein anderer derartiger Fall bekannt. Aber das könnte erst der Anfang sein.

Bremer lebt in Zürich, arbeitete im letzten Sommer aber in Bern und suchte sich dort eine Bleibe als Wochenaufenthalter. «Die Wohnung war ein Schmuckstück», sagt er. «Mitten in der Altstadt, gleich bei der Zytglogge, mit Aussicht auf das andere Ufer der Aare.» Anfangs lieh er die Wohnung übers Wochenende ab und zu Freunden. «Alle waren begeistert.» Das brachte ihn erst auf die Idee. Im letzten September schrieb er die Wohnung das erste Mal im Internet aus – auf einem Portal namens Airbnb, das Privatunterkünfte weltweit vermittelt und Reisenden eine Alternative zu Hotels bietet. Jeder, der über ein leeres Zimmer oder eine vorübergehend ungenutzte Wohnung verfügt, kann sich so ein Zubrot verdienen – risikolos, denn Airbnb deckt Schäden bis 700 000 Euro. Das suggeriert zumindest das Portal. Dass sich die Nutzer selbst über die gesetzliche Lage vor Ort informieren müssen, steht nur im Kleingedruckten.

Anfangs vermietete Bremer seine Wohnung einmal im Monat, dann alle drei Wochen. Und gegen Ende Jahr hatte es ihn richtig gepackt. «Die Besucher waren nett, ich habe die unterschiedlichsten Leute kennen gelernt – und ich bekam immer gute Bewertungen», sagt Bremer. Gäste und Gastgeber bewerten sich auf dem Portal gegenseitig – eine Art Qualitätskontrolle. Auch der finanzielle Aspekt war attraktiv. «Die Einnahmen haben mit geholfen, meine beiden Wohnungen zu finanzieren.» Die 2-Zimmer-Altbauwohnung in Bern kostete knapp 1300 Franken. Den Besuchern überliess er sie für 100 Franken pro Nacht. «Damit bin ich nicht reich geworden, aber es half», sagt der Mittdreissiger.

Es lief so gut, dass er Anfang Jahr sogar seinen Auftritt aufpeppte. Airbnb bietet den Gastgebern die Möglichkeit, die Wohnung von einem professionellen Fotografen ablichten zu lassen – kostenlos. Das führt einerseits zu besseren Bildern. Andererseits sind diese Fotos mit dem Gütesiegel «verified» versehen – geprüft – und wirken so vertrauenswürdiger. Mitte Januar waren die neuen Fotos im Netz. Es waren deutlich mehr als bisher, und sie boten einen detaillierten Überblick zu Wohnung und Aussicht.

Genau das könnte Louis Bremer zum Verhängnis geworden sein. Im Februar erhielt er plötzlich die Kündigung – fristgerecht auf Ende Mai. Die Begründung: Er habe die Wohnung wiederholt untervermietet, ohne den Hauseigentümer informiert zu haben. «Der Besitzer war zutiefst enttäuscht. Er fühlte sich von mir hintergangen.» Dabei war Bremer nicht einmal bewusst, dass er ihn hätte informieren müssen. Es handelte sich ja im Prinzip um eine Art Besuch – ungeachtet dessen, dass er dafür etwas verlangte. «Und bei Airbnb war das nie ein Thema.» Noch im Dezember war Bremer an einer Veranstaltung gewesen, die Airbnb in Bern für Gastgeber organisiert hatte. Man habe sich ausgetauscht, über Probleme gesprochen. Nur: Die rechtliche Situation sei kein Thema gewesen.

Dabei dürften die meisten der rund 2000 Gastgeber in der Schweiz in einem Mietverhältnis leben – und sich demnach rechtlich in einer Grauzone bewegen, wenn sie ihre Wohnung auf Airbnb oder vergleichbaren Portalen ausschreiben. Die meisten Juristen sind sich einig, dass ein Airbnb-Gastgeber, der selbst zur Miete wohnt, rechtlich gesehen ein Untermietverhältnis mit dem Besucher eingeht. Und das Gesetz schreibt vor, dass ein solches Untermietverhältnis dem Hauseigentümer vorab gemeldet werden muss. Und zwar inklusive der Konditionen – also des Preises für die Übernachtung.

Der Preis ist wichtig, weil der Vermieter eine Untermiete im Normalfall nicht verbieten kann. Ausser, ihm entsteht dadurch ein Schaden – etwa, weil der Gastgeber für die Unterkunft zu viel verlangt. Ein Mieter darf laut Pavlo Stathakis, Rechtsanwalt beim Hauseigentümerverband, ohne die Zustimmung des Vermieters keinen Gewinn mit seiner Wohnung erzielen. Das sieht auch der Mieterverband so. Er fürchtet, die Wohnungsknappheit könnte sich verschärfen, wenn die Mieter anfangen, mit der Untervermietung von leer stehenden Zimmern oder Wohnungen an Touristen Geld zu verdienen.

Wann ein Gastgeber zu viel verlangt, ist aber unklar. In Zürich kosten die meisten Wohnungen für zwei auf Airbnb zwischen 80 und 150 Franken, ein Zimmer für eine Person gibt es für 50 bis 100 Franken. Verglichen mit herkömmlichen Unterkünften wie Hotels oder Ferienwohnungen, ist das günstig, gemessen an der Miete jedoch sind die Preise ziemlich hoch. 

Bremer verlangte für seine Wohnung 100 Franken pro Nacht. Bezahlt hat er dafür aber 1300 Franken im Monat – macht 45 Franken pro Nacht. Zwar kann ein Gastgeber einen Zuschlag verlangen für Umtriebe, fürs Mobiliar, fürs Putzen, für Internet und Fernsehen. Allenfalls fürs Frühstück. Doch selbst damit kommt man nicht auf 100 Franken. Viele Juristen (auch solche des Mieterverbands) beziffern den Zuschlag auf 20 Prozent – und stützen sich dabei auf einen Entscheid des Bundesgerichts zu einer normalen Untermietsituation.

Sicher ist das allerdings nicht. Weder, ob ein Mieter gegen das Gesetz verstösst, wenn er seine Wohnung über Airbnb untervermietet, ohne den Vermieter zu informieren, noch ob er zu viel dafür verlangt, wenn der Zuschlag höher als 20 Prozent liegt. Auch ob eine Kündigung ohne Vorwarnung gerechtfertigt ist, ist offen. Entscheiden müsste das nur ein Gericht. In diesem Fall wird es dazu allerdings nicht kommen. Bremer hat die Kündigung akzeptiert. Das Vertrauensverhältnis zum Vermieter sei dahin gewesen. Und ohne die Einkünfte aus der Untermiete wäre die Wohnung auf Dauer ohnehin zu teuer gewesen.

Als er sein Angebot vom Portal löschte, fragte ihn Airbnb automatisch nach den Gründen. Sechs Antworten standen zur Auswahl: ein Umzug, eine Pause, eine versehentliche Verdoppelung des Inserats, zu viel Aufwand, der Wechsel zu einem Konkurrenzportal und als Letztes: Ärger mit dem Vermieter. «Obwohl ich Letzteres angeklickt habe, hat sich Airbnb nie bei mir gemeldet», sagt Bremer. Das ärgert ihn immer noch. Airbnb wollte auch gegenüber dem TA keine Stellung nehmen. Weder zum konkreten Fall noch zur Frage, wie viele Gastgeber ihre Wohnung mit Verweis auf den Vermieter vom Portal nehmen. Trotzdem will Bremer seine Wohnung auch in Zukunft über Airbnb vermieten. Allerdings wird er beim nächsten Mal den Vermieter informieren. 

Quelle: Tages-Anzeiger 30.9.13

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