Leserin Milena P.* sah sich beim Salatessen im Freien unverhofft einer
fliegenden Kamera gegenüber. Darf sie einfach so gefilmt werden?
Tagesanzeiger.ch/Newsnet klärte den Fall ab.
Milena P.* sitzt in einer Gartenwirtschaft am Greifensee bei
Niederuster und hört dieses hochfrequente Surren näher kommen, das
entfernt an einen Zahnarztbohrer erinnert. Sie schaut sich um und blickt
in die Linse einer Gopro-Kamera, die an dem Quadrocopter montiert ist,
der fünf Meter über ihr schwebt. «Ich will in Ruhe essen, und mich stört
es, wenn mir ein fliegendes Auge in den Teller guckt», sagt die junge
Frau. «Ich habe mich umgeschaut, der Typ mit der Fernsteuerung war
nirgends zu sehen.» Das Fluggerät ist nach einigen Sekunden
weitergeflogen und hat eine empörte Milena P. zurückgelassen. «Ich will
mich doch nicht auf Youtube sehen, wie ich einen Salat esse.» Alle Gäste
in der gut besetzten Wirtschaft seien von der Drohne gestört worden,
und einige hätten beim Besitzer intervenieren wollen, sagte sie weiter.
Szenenwechsel.
Ein Balkon in der dritten Etage mit Blick auf Quartierstrasse und
Nachbarhäuser in Zürich-Wiedikon. Ingo C.* sitzt auf dem Balkon, raucht
eine Zigarette und trinkt Kaffee. «Ich wollte gerade telefonieren, da
hörte ich erst das Surren, und dann tauchte dieses Ding keine zwei Meter
vor mir auf.» Der Familienvater wollte sich nicht filmen lassen. «Ich
habe mir den Besen gegriffen und wollte das Gerät aus der Luft fegen,
aber da war es schon weggeflogen.» Auch Ingo C. hat niemanden mit einer
Fernsteuerung gesehen. «Haben die eigentlich keinen Respekt vor der
Privatsphäre anderer Leute?»
Die
beiden sind keine Einzelfälle. Quadrocopter können ein ganzes
Restaurant verärgern, aber kaum jemand würde wegen eines solchen
Fluggerätes Anzeige erstatten, wie Judith Hödl, Mediensprecherin der
Stadtpolizei Zürich, bestätigt: Bisher seien keine Anzeigen erstattet
worden – weder wegen Lärmbelästigung noch wegen Verletzung der
Privatsphäre. Das könnte auch einen anderen Grund haben. Milena P.
wusste nach eigenen Angaben gar nicht, dass sie sich rechtlich gegen das
fliegende Auge wehren könnte.
Im Büro des Eidgenössischen
Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragten (Edöb) verfolgt man die
Entwicklung mit wachsendem Interesse. Mediensprecherin Eliane Schmid:
«Seit solche Geräte immer billiger werden, wächst das
Gefährdungspotenzial für die Privatsphäre kontinuierlich an. Wir werden
die Entwicklung im Auge behalten.»
In
beiden eingangs geschilderten Fällen sieht Schmid einen Verstoss gegen
das Datenschutzgesetz: «Wer erkennbare Personen aufnimmt, benötigt einen
Rechtfertigungsgrund, also die Einwilligung der Betroffenen.» Ein
Verstoss liegt auch vor, wenn «Aufnahmen von normalerweise nicht
einsehbaren Orten gemacht werden». Als Beispiel führt Schmid das
Bundesgerichtsurteil zu Google Street View an. Demnach muss Google die
Aufnahmegeräte auf den Autos tiefer anbringen, weil die Kameras
Einblicke in umfriedete Höfe oder über Hecken gewährt haben, die sonst
für einen Passanten oder Automobilisten nicht einsehbar gewesen wären. «Wenn
ein solcher Drohnenpilot beispielsweise durch ein Fenster ins
Wohnungsinnere filmt, kann er eventuell auch strafrechtlich belangt
werden», sagt Schmid weiter, «denn dann liegt eine Verletzung des
Privat- oder gar des Geheimbereichs vor.»
Quadrocopter
der unteren Preisklasse können mit einer Batterieladung etwa 10 Minuten
in der Luft bleiben und bis auf 300 Meter Distanz ferngesteuert werden.
Die leistungsfähigeren und auch deutlich teureren Modelle, ab 2000
Franken, können bei einer höheren Nutzlast einige Minuten länger in der
Luft bleiben und haben eine Reichweite von 500 Metern und mehr. Dies
entspricht etwa der Distanz Paradeplatz bis See.
Für den Betrieb
von Drohnen und Flugmodellen unter 30 Kilogramm Gewicht benötigt man
keine Bewilligung vom Bundesamt für Zivilluftfahrt (Bazl). Allerdings
ist die Verordnung des Eidgenössischen Departements für Umwelt, Verkehr,
Energie und Kommunikation (Uvek) über Luftfahrzeuge besonderer
Kategorien einzuhalten. Diese verlangt unter anderem, «dass der ‹Pilot›
jederzeit direkten Augenkontakt zu seinem Flugobjekt hat». Dies ist
nicht immer gewährleistet. Viele Modelle lassen sich mit Videobrille
steuern. Auch hierfür gibt es Regeln: «Will jemand technische
Hilfsmittel wie Feldstecher oder Videobrillen einsetzen, um die
natürliche Sichtweite der Augen zu erweitern, ist dafür eine Bewilligung
des Bazl erforderlich.»
Diese
Regel kann umgangen werden, wenn man eine weitere Person zuzieht:
«Innerhalb des Sichtbereiches des ‹Piloten› ist der Betrieb mit
Videobrillen und dergleichen gestattet, sofern ein zweiter ‹Operateur›
den Flug überwacht und bei Bedarf jederzeit in die Steuerung des
Fluggerätes eingreifen kann. Der ‹Operateur› muss sich am gleichen
Standort befinden wie der Pilot.» Das Reglement erlaubt auch
Luftaufnahmen. Diese sind zulässig, «sofern die Vorschriften zum Schutz
militärischer Anlagen berücksichtigt werden. Zu beachten sind dabei auch
der Schutz der Privatsphäre respektive die Vorschriften des
Datenschutzgesetzes.» Das heisst, es dürfen keine Personen erkennbar
abgebildet werden. Ein weiterer Regelpunkt lautet: «Wer eine Drohne oder
ein Flugmodell mit mehr als 500 Gramm Gewicht betreibt, muss für
allfällige Schäden eine Haftpflichtdeckung im Umfang von mindestens 1
Million Franken gewährleisten.»
(*Namen der Redaktion bekannt)
Quelle: Tagesanzeiger.ch/Newsnet
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